Wie der Bindestrich verwendet wird, ist selbstverständlich geregelt: Er kann einzelne Bestandteile von Wörtern hervorheben, damit sie besser lesbar sind und ihr Sinn klar erfasst wird (Hoch-Zeit vs. Hochzeit) und er dient tatsächlich der besseren Lesbarkeit bei unübersichtlich zusammengesetzten Wörtern, wie Musikerleben. Der Bindestrich macht klar, ob Musik-Erleben oder ein Musiker-Leben gemeint ist. Bei Adjektiven ist er angebracht, wenn beide Teile gleichrangig sind, wie die deutsch- französische Freundschaft oder eine gelb-grüne Jacke, die zu Teilen gelb und grün ist. Sind Gelb und Grün gemischt, ist die Jacke gelbgrün. Werden bei Leichter Sprache zusammengesetzte Wörter immer und überall mit einem Bindestrich auseinandergerissen, verstößt dies gegen Rechtschreibregeln und schafft Missverständnisse, die eigentlich ausgeräumt werden sollen. Anhand von Beispielen wird das deutlich: Führt ein Markt-Führer durch den Markt oder steht er ganz an der Spitze seiner Branche? Und bei einem Über-Einkommen verdient man wohl besonders gut … Verwirrung statt Verständlichkeit. Muss das sein? Nein, finden die Sprachwissenschaftlerinnen Christiane Maaß und Ursula Brendel. Sie schlagen für Leichte Sprache eine andere Lösung vor: den Medio·punkt, ein neues – oder besser altes – Lesehilfszeichen, das die Wortfuge kennzeichnet. Der Mediopunkt ist ihnen zufolge ein sehr altes Interpunktionszeichen. Mit ihm wurden Wörter getrennt, ehe sich die einfache Lücke zwischen den Wörtern durchsetzte. Die Wissenschaftlerinnen verweisen auch auf Textverarbeitungsprogramme. Werden die Steuerzeichen angezeigt, erscheint in den Wortzwischenräumen ein Mediopunkt. Auch Lehrer würden bisweilen den Mediopunkt für didaktische Zwecke einsetzen. Mit dem Mediopunkt heben sich die Regeln der Hildesheimer Forschungsstelle von anderen Regelwerken ab. Die Argumente für den Mediopunkt sind schlüssig. Christiane Maaß zählt sie auf: Durch den Mediopunkt lassen sich die einzelnen Wörter besser erkennen. Er greift weniger stark ins Schriftbild ein wie ein Bindestrich, nicht zuletzt, weil es nach dem Mediopunkt mit einem Kleinbuchstaben weitergeht. Menschen, die Deutsch lernen und Leichte Sprache als Durchgangsstufe benutzten, üben keine falsche Rechtschreibung ein. Drittens: Mediopunkt und Bindestrich können nebeneinander bestehen – jedes Zeichen so, wie es richtig ist, zum Beispiel Leichte- Sprache-Regel∙werk. Diese Vorteile erkennen immer mehr Leichte-Sprache-Übersetzer: In der Praxis setzt sich der Mediopunkt stärker durch. Klarer (Punkt-)Sieg für den Mediopunkt! yvw Quellen: Christiane Maaß 2014: Der Mediopunkt, in: Christiane Maaß, Isabel Rink, Christiane Zehrer: Leichte Sprache, Forschungsstelle Leichte Sprache, www.uni-hildesheim.de/leichtesprache  sowie Ursula Brendel, Christiane Maaß: „Ratgeber Leichte Sprache“, Dudenverlag 2016
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22. August 2016, ergänzt 8. Dezember Binde-Strich vs. Medio·punkt  „Wettstreit“ zwischen Trennstrich und neuem Lesehilfszeichen Lange Wörter haben in Leichte-Sprache-Texten nichts verloren. Eigentlich. Manchmal geht es beim besten Willen nicht ohne sie, etwa wenn sich der Text um einen Versicherungsvertrag oder einen Nachteilsausgleich dreht oder andere schwierige Begriffe. Wie löst man das Problem? Mit Bindestrich oder Mediopunkt?
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